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Derthona Timorasso: Ein verborgener Schatz aus dem Colli Tortonesi

Das Colli Tortonesi

Das Colli Tortonesi ist wahrscheinlich das unbekannteste Weingebiet des Piemont. Am bekanntesten ist selbstverständlich die Langhe, berühmt für Barolo, Barbaresco und die weißen Alba-Trüffel. Auch das Roero-Gebiet, der Monferrato (mit Barbera und Moscato d’Asti) oder das Gavi-Gebiet sind bekannt und viel bereist. Aber das Colli Tortonesi? Hier gibt es ebenfalls hervorragenden Barbera. Und eben Timorasso – die Königin der autochthonen Rebsorten.

Dieses Gebiet liegt im Südosten des Piemont und gehört zur Provinz Alessandria. Östlich vom Colli Tortonesi fängt sofort die Lombardei an mit dem Oltrepo Pavese sowie die Emilia-Romagna. Etwas nördlich fließt der Po, westlich befindet sich der Monferrato und südlich liegt Ligurien. Hauptort des Colli Tortonesi ist Tortona, eine nicht wirklich schöne Stadt mit noch nicht einmal 30.000 Einwohnern. Sie ist allerdings eine der ältesten norditalienischen Siedlungen der Römer mit dem ursprünglichen Namen Iulia Derthona.

Im Colli Tortonesi lässt sich Weinbau sehr lange zurückverfolgen. Schon aus vor-römischer Zeit gibt es Artefakte. Einer der Gründe hierfür ist, dass dieses kleine Gebiet, das gerade einmal 30 Gemeinden umfasst, im Sommer die Wärme aus der Po-Ebene erhält und im Winter die warme Winde, die vom Mittelmeer über den Apennin kommen. Somit gilt das Colli Tortonesi als das Gebiet des Piemont mit der höchsten Durchschnittstemperatur. Im Sommer sind Tage mit deutlich 40°C die Regel.

Landschaftlich lässt sich das Colli Tortonesi in vier Täler eingliedern. Das größte davon ist das Curone-Tal, das im Osten des Colli Tortonesi liegt. In der Mitte und im Westen finden sich dann das Grue-Tal und das Ossona-Tal, die jedoch kleiner sind. Diese drei Täler verlaufen grob von Nordwesten nach Südosten. Im Süden liegt schließlich noch das Borbera-Tal, das bereits in die Ausläufer der Seealpen hineinragt und damit deutlich höher liegt als die anderen Täler. Dieses verläuft zunächst in West-Ost-Richtung, um dann scharf nach Süden abzuknicken.

Aus kulinarischer Sicht gibt es in diesem Gebiet zwei Dinge, die interessant sind. Zum einen ist das ein historisch seit langem nachweisbarer, aber erst in der jüngsten Vergangenheit wieder stärker produzierter Käse mit dem Namen Montebore, ein dreilagiger runder Käse, bei der jede Lage kleiner ist als die darunterliegende und der aus 70% Kuhmilch und 30% Schafs und Ziegenmilch hergestellt wird. Der Legende nach hat Leonardo da Vinci zur Hochzeit der italienischen Fürstin Isabella von Aragon Montebore servieren lassen, zusammen mit Timorasso, deren kongeniale Geschmacksergänzung damals bereits bekannt war.

Derthona Timorasso

So ist Timorasso auch das zweite Kleinod der Region. Ein Weißwein, der sich deutlich von anderen Weißweinen unterscheidet. Aktuell (Mitte 2023) wird auf ca. 250-300 Hektar des Colli Tortonesi Timorasso produziert, allerdings nimmt die Rebfläche seit einige Zeit deutlich zu (seit 2010 hat sich die Fläche gerade einmal verdoppelt weitere Flächen sind bereits bestockt, es gibt aktuell aber eine Begrenzung des Flächenwachstums). Diese Entwicklung wird gerade in der jüngsten Vergangenheit durch den Umstand gefördert, dass immer mehr bekannte Weingüter aus der Langhe Rebfläche im Colli Tortonesi aufkaufen oder Flächen mit Timorassoreben neu bepflanzen. Sie haben das Potential dieses Weines erkannt und vermarkten ihn unter dem Schlagwort "weißer Barolo"!

Die Winzer des Gebiets sind in einem Konsortium zusammengeschlossen, um ihre gemeinsamen Interessen zu fördern. Aktuell gibt es ca. 80 Timorasso-Produzenten, ungefähr die Hälfte davon sind erst seit 2017 dazugestoßen. Weitere haben schon neue Flächen bepflanzt, nur können sie Timorasso noch nicht produzieren, da die Reben noch zu jung sind. Aufgrund der sehr kleinen Rebfläche und des geringen Ertrags der Trauben liegt die jährliche Gesamtproduktion an Derthona Timorasso in einen „guten“ Jahr bei weniger als 1 Mio. Flaschen. In Jahren mit geringem Niederschlag (wie beispielsweise 2022) sind es dann auch mal 30% weniger.

Das Colli Tortonesi insgesamt hat den Status einer DOC und produziert damit eine Reihe eigenständiger Weine. Darüber hinaus gibt es im südlichen Borbera-Tal eine Subregion mit dem Namen Terre di Libarna, die ebenfalls versucht, einen eigenen DOC-Status zu erhalten. Da Timorasso eine der Rebsorten ist, die in dem Gebiet seit mindestens dem 15. Jahrhundert nachzuweisen ist und die zuletzt einen wahren Aufschwung erlebte, wurde zum Schutz der Weine die Colli Tortonesi DOC Timorasso eingerichtet. Darüber hinaus gibt es aktuell Bestrebungen, unter dem Begriff Derthona einen eigenständigen DOC-Status ausschließlich für Timorasso zu schaffen. Die Bestrebungen sind schon sehr weit fortgeschritten, unter dem Oberbegriff "DOC Derthona" soll es dann drei Arten von Weinen geben. Das ist zunächst der Piccolo Derthona, das niedrigste Qualitätsniveau, der früh trinkbar ist. Dann als wichtigste Stufe der Derthona mit einem Mindestalkoholgehalt von 12%. Und als oberste Qualitätsstufe den Riserva, der erst nach einer längeren Reifezeit auf den Markt kommen darf.

Der Begriff Derthona wird jetzt schon als Oberbegriff verwendet. Überall, wo Derthona draufsteht, ist somit auch Timorasso drin. Oder umgekehrt: Nur ein Timorasso mit dem Zusatz Derthona kommt aus dem Colli Tortonesi, dem ursprünglichen Gebiet der Timorasso-Trauben.

Der zwischenzeitliche Rückgang der Rebfläche, auf denen Timorasso angepflanzt wird, ist darauf zurückzuführen, dass die Rebe im Gegensatz zu anderen Rebsorten nur geringe Erträge erbringt und eine intensivere Pflege benötigt. Es kommt auch immer wieder vor, dass einzelne Rebstöcke gar keine Trauben liefern. Und ein besonderes Charakteristikum ist, dass die einzelnen Beeren unterschiedliche Größen aufweisen können und teilweise sogar unterschiedliche Reifegrade. Dies macht es den Winzern nicht gerade einfach, sowohl im Weinberg als auch im Keller.

Nach der Reblausplage wurden Timorassoreben nur in geringem Umfang wieder angepflanzt, da zu dieser Zeit der Fokus besonders auf die Quantität gelegt wurde. Eine hohe Qualität war von untergeordneter Bedeutung. Gleichzeit verlagerte sich der Schwerpunkt des Weinbaus stärker hin zu Rotweinreben, die resistenter gegen Krankheiten waren.

Erst Mitte der 1980er-Jahre kam es zu einer Renaissance des Timorasso. Auslöser dafür waren junge und ambitionierte Winzer, die die Leitung ihrer Familienbetriebe übernahmen und neue (aber eigentlich sehr alte und vergessene) Wege gehen wollten. Dabei half die Veränderung in der Weinnachfrage, bei der die Kunden nun immer stärker auf unbekannte Rebsorten zurückgriffen, die interessante neue Erfahrungen erzeugen.

Derthona Timorasso sind hochkomplexe und konzentrierte Weine, die ihr wahres Potential schon in jungen Jahren erahnen lassen, die ihre volle Stärke aber erst nach einigen Jahren der Reife ausspielen. Im Gegensatz zu der über¬wiegenden Anzahl an Weißweinen können Timorasso problemlos 20 bis 25 Jahre lagern, ohne dass damit Qualitätseinbußen einhergehen. Ganz im Gegenteil: sie gewinnen mit der Reife in der Flasche.

Im Weinberg, im Glas und beim Verkosten

Die Reben wachsen langsam, zeigen aber trotzdem eine üppige Vegetation. Die Trauben reifen eher früh, so dass die Weine auch problemlos in Weinbergen angebaut werden können, die höher liegen. Im Süden des Colli Tortonesi gibt es Rebflächen, die mehr als 550 m über dem Meeresspiegel liegen.

In jungen Jahren zeigt der Wein im Glas meist ein helles Gelb, nimmt mit zunehmendem Alter aber immer mehr einen Goldton an. Einzelnen Winzern gelingt es, auch in jungen Jahren bereits bernsteinfarbene Weine zu produzieren, die dann mit zunehmendem Alter weiter nachdunkeln. Dies ist aber kein Qualitätsmerkmal, sondern eher eine Frage der Stilistik.

In der Nase zeigt sich Timorasso zunächst leicht floral und fruchtig, insbesondere, wenn die Weine noch sehr jung sind. Nach wenigen Monaten kommen dann tertiäre und mineralische Aromen hinzu, wie beispielsweise Honig und Wachs, vor allem aber eine ausgeprägte Petrolnote. Außergewöhnlich ist auch, dass viele Weine dezent an einen Barriqueausbau erinnern, obwohl die Weine (von wenigen Ausnahmen abgesehen) ausschließlich in Stahltanks ausgebaut werden. Diese Besonderheit macht Derthona Timorasso einzigartig unter den autochthonen Rebsorten.

Der Wein ist meist sehr konzentriert, ein Weißwein mit einem vollen Körper, aber trotzdem mit einer frischen Säure von meist 7g/l. Allerdings überrascht er mit seinem besonderen Geschmack, der ihn von anderen Weißweinen deutlich unterscheidet. Viele der Weine sind sehr gut ausbalanciert und haben eher 13,5% bis 14,5%, teilweise sogar bis zu 15,5% Alkohol, was aber geschmacklich kaum auffällt, da der Alkohol sehr gut im Timorasso eingebunden ist. Der Nachklang bleibt lange am Gaumen hängen. Nahezu alle Weine werden trocken ausgebaut. Nur vereinzelt findet man auch Spätlesen mit einer leicht erhöhten süßlichen Note, die aber mehr aus dem Extrakt der Trauben und weniger aus dem Restzucker kommt. Darüber hinaus haben einzelne Winzer begonnen, Schaumweine aus Timorassotrauben zu produzieren sowie Grappe aus dem verbleibenden Trester, zuletzt kamen dann auch Wermuts hinzu, deren Grundweine Timorasso sind.

Jeder Weintrinker sollte einen Wein genau auf die Art trinken, die ihm beliebt. Trotzdem hat sich gezeigt, dass einzelne Weine noch deutlich an Statur gewinnen können, wenn sie auf eine bestimmte Art serviert werden. So gewinnen viele Timorasso, wenn sie dekantiert werden und ihnen somit nochmals Sauerstoff zugeführt wird. Auch die optimale Trinktemperatur liegt bei den meisten Weinen eher bei 14 bis 16°C, also nicht zu kühl, sondern dem, was historisch unter Raumtemperatur verstanden wurde. Auch wenn die Weine in großen Weißweingläsern bereits sehr gut zur Geltung kommen, haben umfangreiche Untersuchungen gezeigt, dass das optimale Glas für einen Timorasso ein bauchiger Kelch ist, wie er für große Burgunder verwendet wird.

Die Reben, das Terroir und die Art der Verarbeitung bringen Weine hervor, die angenehm zu trinken sind. Selbst wenn sie noch jung sind, zeigen die Weine aber trotzdem schon einen vollen Körper, der im Alterungsprozess noch deutlicher zum Vorschein kommt und den Wein immer kraftvoller werden lässt. In dieser Phase tritt die Petrolnote verstärkt in den Vordergrund, die durch mineralische Komponenten abgerundet wird.

Ein Derthona Timorasso zeigt seine typischen Charakteristiken häufig erst nach drei bis vier Jahren der Lagerung. Aus diesem Grund sollten sie nicht zu jung getrunken werden, auch wenn die Weine ihr Potential bereits davor erahnen lassen. Viele der Weine haben ein Lagerungspotential von 20 bis 25 Jahren, allerdings ist es sehr schwer, solche Weine überhaupt noch zu finden.

Timorasso.de

Derthona Timorasso ist weiterhin ein Nischenprodukt, auch wenn der Bekanntheitsgrad und die Nachfrage deutlich zunehmen. Viele Weinhändler haben sie gar nicht im Programm. Und wenn, dann meist gerade einmal nur die Weine eines Produzenten. Timorasso.de dagegen ist ein auf Derthona Timorasso spezialisierter Weinimport, bei dem die Derthona Timorasso direkt von den Winzern bezogen werden. Aktuell befinden sich 37 Winzer im Programm, und damit deutlich mehr als die Hälfte aller Produzenten. Aufgrund der engen Kontakte ist es möglich, auch an gereifte Weine zu kommen, die sonst nirgendwo anders mehr zu finden sind. Durch die langjährige Zusammenarbeit mit den meisten Winzern sind auch viele ältere Jahrgänge hier auf Lager. Ziel von Timorasso.de ist es, Derthona Timorasso in Deutschland bekannt zu machen. In Absprache mit vielen Winzern können die Weine für Restaurants deshalb auch zu Preisen angeboten werden, die bei anderen Importeuren nicht zu finden sind.

Ihr

Dr. Conrad Mattern